Berichte / Presse

Leserbrief zu „Offenbarungseid oder Schmutzkampagne?“

BNN, Südwestecho am 13. Februar 2020.

In ihrem Artikel wird Bezug genommen auf Aussagen des Landesvorsitzenden des Philologenverbandes, der in einem Rundumschlag nicht nur die Gemeinschaftsschulen im Lande sondern offensichtlich das Schulsystem in Baden-Württemberg diskreditieren will. Wie anders wäre es zu erklären, dass er seine Aussagen über unzufriedene Gymnasiallehrkräfte an Gemeinschaftsschulen auf Rückmeldungen von rund 20 Lehrkräften stützt. Das sind ein sehr geringer Teil der Gymnasiallehrkräfte, die an den 306 Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg unterrichten. Jeder Schülerin und jedem Schüler an einer baden-württembergischen Gesamtschule wird jedenfalls gelehrt, dass eine Argumentation auf solch dünner Datengrundlage nicht ernst genommen werden kann.

Anstatt eine Schulart zu diffamieren, sehen wir die Notwendigkeit, Lehrerinnen und Lehrer an allen Schularten zu unterstützen, um allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden. Wer Qualität stärken will, muss Lehrkräfte von der Grundschule bis zu den Beruflichen Schularten besser unterstützen. In fast allen Schularten sind die Klassen zu groß, es gibt zu wenig Fortbildungsangebote und keine ausreichende Vertretungsreserve.
Was wir dafür brauchen sind kleinere Klassen und Lerngruppen, zusätzliche pädagogische Kräfte in der Schulsozialarbeit und mehr Fortbildungen.

Weil sich in diesen Tagen Eltern von Viertklässlern Gedanken über den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder machen, wollen wir der Attacke des Philologenverbandes die Erfahrungen von Eltern gegenüberstellen, die sich gemeinsam mit ihren Kindern für die Gemeinschaftsschule entschieden haben.
Die Entscheidung für die Gemeinschaftsschule ab der 5. Klasse trafen wir nicht in der Erwartung, dass Noten frisiert werden oder weil sich unmotivierte Junglehrer einen schönen Lenz machen wollen. Unsere Kinder gehen auf die Gemeinschaftsschule, weil  sie ein zukunftsweisendes Konzept bietet, neben den Grundschulen die einzige Schulart ist, die in diesem Umfang inklusiv arbeitet und einen geregelten und sinnbehafteten  Ganztagsbetrieb organisiert. Eltern, deren Kinder die Blanc-und-Fischer Gemeinschaftsschule besuchen, nennen oft als Grund für ihre Entscheidung:
… weil ein vertrauensvolles Miteinander zwischen Kindern, Lehrern und Lehrerinnen und Eltern der Normalfall ist.
… weil eine konzeptionelle Ganztagsschule die Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist.
… weil Kinder noch Zeit zum Leben haben.
… weil Kinder ihre Stärken und Schwächen zeigen können.
… weil die Gemeinschaftsschule Kindern Zeit gibt, sich zu entwickeln.
Und weil an der Gemeinschaftsschule engagierte Lehrerinnen und Lehrer unterrichten, was ganz sicher nicht nur für die Schule in Sulzfeld gilt. Dies ergibt eine andere Wirklichkeit des Schulalltags, als es der Vorsitzende des Philologenverbandes Glauben  machen möchte.
Tatsächlich gibt es eine große Anzahl an Gymnasiallehrenden, die mit ausgesprochener Zufriedenheit ihrer Tätigkeit an der Gemeinschaftsschule nachgehen.
Denn wer mit Menschen arbeitet, muss sich auf Menschliches einlassen. Das bedeutet,  Lust auf Kontakt, Bereitschaft das einzelne Kind zu sehen und eine stetige Weiterentwicklung des persönlichen Handwerkszeugs und Methodenkönnens. Wir Eltern nehmen dies bei den Lehrerinnen und Lehrern an der Blanc-und-Fischer-Schule wahr.
Wir schätzen sehr, dass diese Schule ein sich veränderndes System ist, das sich ständig versucht zu verbessern, statt die Schülerinnen und Schüler so anzupassen, damit sie in das System passen.
Die Aussagen des Vorsitzenden des Philologenverbandes, dass Noten geschönt, Gymnasiallehrer gemobbt und gute Schüler abrutschen würden, können wir auf Grund unserer Erfahrungen für die Blanc-und-Fischer-Gemeinschaftsschule Sulzfeld nicht bestätigen.
Ebenso widersprechen wir der Aussage, dass der Wegfall der Noten Gleichgültigkeit und Disziplinlosigkeit der Schülerinnen und Schüler bewirke.
Anstelle eines Zeugnisses, in dem die Leistung mit Noten beurteilt wird, erhalten die Schülerinnen und Schüler in der Gemeinschaftsschule einen detaillierten Lernentwicklungsbericht. Der Lernentwicklungsbericht gibt  Aufschluss über die Leistungen, Stärken und Schwächen der Schüler.
Die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern erhalten individuelle und differenzierte Rückmeldung; Coachinggespräche zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern werden geführt, um den eigenen Lernprozess zu planen, sich Ziele zu setzen und das Lerntempo selbst zu finden. In den Lernentwicklungsgesprächen werden Eltern miteinbezogen, was Mit-Verantwortung  und Transparenz mehr fördert als Schulnoten 1 bis 6. Das heißt Gemeinschaftsschule.
Wir empfehlen Eltern, die sich für eine weiterführende Schule entscheiden müssen, Informationsveranstaltungen der in Frage kommenden Schulen zu besuchen und mit Lehrern, Eltern und Schülern ins Gespräch zu kommen. Informieren Sie sich bei Freunden und Bekannten über Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Schulformen und treffen sie zusammen mit ihrem Kind die individuelle Entscheidung, welche weiterführende Schule ihr Kind besuchen wird. Seien sie kritisch, überlegen sie vom Kind ausgehend, aber lassen sie sich nicht von den durchschaubaren Absichten interessengeleiteter Standesvertreter  verrückt machen!

Wolfgang Grahm, Corinna Becker
Elternbeiratsvorsitzende Blanc-und-Fischer-Schule Gemeinschaftsschule, Sulzfeld

 

Einblicke in die Gemeinschaftsschule Sulzfeld: Stimmen aus dem Schulalltag

Lehrerstimmen Teil I: Gymnasiallehrer

75056? Wo ist denn Sulzfeld?

Das habe ich mich gefragt, als mir kurz vor den Sommerferien 2018 ein Angebot an einer Gemeinschaftsschule unterbreitet wurde.

Mein Name ist Stefanie Krause und ich möchte Ihnen im Folgenden einen kurzen Eindruck eines ungewöhnlichen, jedoch spannenden Wechsels einer Gymnasiallehrerin aus der Stadt in eine dörflich gelegene GMS gewähren.

Der Ruf einer GMS lässt sich wahrlich nicht schön reden - zumindest nicht unter Lehrkräften. Mehrarbeit durch unterschiedliche Niveaus, Lerncoaching-Fortbildungen, Lernzielkontrollen, regelmäßig stattfindende Entwicklungssgespräche und vieles mehr. All dies war Neuland für mich.
Außerdem lernte ich spannende Projekte kennen. Ein Weinbauprojekt in Kooperation mit dem Weingut Heitlinger & Burg Ravensburg GmbH. Nach herbsten, keltern, ernten und Etikett designen, verkaufen wir schlussendlich unseren eigenen Jahrgangswein.

Auch die Kooperationen mit den beruflichen Schulen in Bretten und die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaftsförderung „Sprungbrettausbildung“ unterstützen die Schülerinnen und Schüler und gewähren ihnen Einblicke in mögliche Perspektiven und Optionen nach ihrem Abschluss an der GMS.

Das alles ist viel Mehrarbeit neben dem alltäglichen Unterricht. Doch sieht man die Fortschritte der Schüler oder trifft ehemalige Schüler und Schülerinnen, die uns regelmäßig besuchen kommen, freut man sich von ganzem Herzen über ihren erfolgreichen Werdegang.

Zu guter Letzt zurück zum Ruf der Gemeinschaftsschulen.
Ich habe mich an die für mich ungewohnt offene Arbeitsweise gewöhnt und einen akzeptablen Mix aus altmodischem Gymnasialunterricht und einem modernen Konzept an einer GMS gefunden. Ich werde weiterhin mit großer Freude hauptsächlich Englisch und Sport unterrichten und die Kinder auf ihren bestmöglichen Schulabschluss vorbereiten. Die Schulleitung und das besonders engagierte und kompetente Kollegium, unter dem bedeutende Freundschaften entstanden sind, sind ein weiterer nennenswerter Grund warum ich mich auf weitere ereignisreiche Jahre in Sulzfeld freue.
Bilden Sie sich Ihr eigenes Bild von einer Gemeinschaftsschule!

Stefanie Krause

Warum Gemeinschaftsschule?

Seit 2013 arbeite ich nun als Gymnasiallehrerin an einer Gemeinschaftsschule und schätze die Arbeit hier sehr, weil ich meinem Verständnis des Berufes „Lehrer“ gerecht werden kann: Ich merke täglich, dass ich viel mehr Möglichkeiten habe, aus jedem Schüler das Beste herauszuholen. Dafür gibt es verschiedene Gründe:  Zum einen pflege ich von Anfang an einen viel intensiveren Bezug zu jedem/jeder Einzelnen.  Dies wird möglich durch die häufige Doppelbesetzung im Hauptfachunterricht und durch regelmäßige Coaching- und Lernentwicklungsgespräche. Zum anderen kann ich in den ersten 2-3 Jahren jedem Kind einfach mehr Zeit lassen, sein Potential zu entfalten. So kann ein Schüler beispielsweise in Mathematik auf Hauptschulniveau arbeiten und sich mit mehr Zeit und durch individuelles Eingehen auf seine Schwierigkeiten verbessern, während er gleichzeitig in Englisch seinen Leistungen gemäß auf Realschul- bzw Gymnasialniveau gefordert wird. Ab Klasse 7 kann dann sowohl der Schüler als auch der Lehrer  besser einschätzen, in welche Richtung (Abschluss) es gehen könnte, ab Klasse 8 wird schließlich gezielt auf die einzelnen Abschlüsse vorbereitet, ab Klasse 9 in getrennten Real- und Hauptschulklassen.

Durch diese Vorgehensweise habe ich als Lehrer bzw. Lernbegleiter das gute Gefühl, die Schüler bestmöglich gefördert und gefordert zu haben. Dazu kommt das pädagogische Grundkonzept, das von den Stärken des Schülers ausgeht,  anstatt ihm/ihr täglich vorzuhalten,  was er/sie noch alles falsch macht. Mit dieser motivierenden Herangehensweise habe ich in den letzten 7 Jahren die Erfahrung machen dürfen, dass aus Kindern, die aus ganz unterschiedlichen Gründen in Klasse 5 große Schwierigkeiten und Unsicherheiten hatten,  selbstbewusste, leistungsstarke junge Menschen wurden, die  sich heute in guten Ausbildungsberufen befinden oder sich an weiterführenden Schulen weiterbilden – 3-6 Schüler pro Jahrgang besuchen bis jetzt erfolgreich ein berufliches Gymnasium.

Zudem entspricht die Herangehensweise, junge Menschen zum Lernen zu motivieren und ihnen verschiedene Lernwege aufzuzeigen meinem Ideal von Bildung am ehesten: Mit Muße ausprobieren, experimentieren und verinnerlichen anstatt unter ständigem Leistungsdruck nichts richtig zu erlernen und auf die Berufswelt nicht vorbereitet zu sein.

Durch die Mischung des Kollegiums aus Gymnasiallehrern, Fachlehrern, Hauptschullehrern, Realschullehrern, Sonderpädagogen und Schulbegleitern,  durch das Unterrichten in Teams und durch die bereichernde, gute Kooperation mit den benachbarten Real- und Gemeinschaftsschulen, mit benachbarten Beruflichen Schulen und Gymnasien wird mein eigener Unterricht im Übrigen bereichert und verbessert, denn so bleibe ich stets flexibel und offen Neuem gegenüber, behalte meinen Unterrichtsstoff und die einzelnen Schüler im Blick – und das führt dazu, dass auch ich als (Gymnasial-)lehrer jeden Tag gerne und mit Motivation zur Arbeit komme.

Eva Essing

Warum Inklusion an der Gemeinschaftsschule? 

So werde ich oft von anderen Sonderpädagogen gefragt, die an einer Sonderschule unterrichten (heute korrekterweise „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum“ genannt) – also auch der Schulart, auf die ich mich im Studium und in zahlreichen Praktika mental eingestellt hatte. Doch plötzlich landete ich als Referendarin an einer Gemeinschaftsschule in Karlsruhe, in der seit vielen Jahren Inklusion umgesetzt und gelebt wird (schwerpunktmäßig mit geistig behinderten Schülern). Die Vorteile und den Reiz an der Sache, sowohl für Lehrkräfte, aber v.a. auch für die Schüler, lernte ich sehr schnell zu schätzen und zu lieben. Heute kann ich mir die Arbeit an einer Gemeinschaftsschule für mich nicht mehr wegdenken. 

Gemeinschaftsschule eignet sich für Inklusion in besonderem Maße, da ohnehin auf mehreren Niveaustufen gearbeitet wird und Differenzierung von Anfang an mitgedacht ist. Weitere Niveaus einzubinden, die von den drei regulären Niveaus abweichen, stellt von der Struktur und Arbeitsweise der Schulart keinerlei Problem dar. So lässt sich auch Schülern mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen gerecht werden. Von der zusätzlichen sonderpädagogischen Förderung profitieren immer wieder auch Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. So kann – entgegen des Vorurteils, inklusive Klassen lernten langsamer – das Lerntempo an die schneller lernenden Kinder angepasst werden. Die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf orientieren sich dabei tendenziell an diesen Schülern und entwickeln einen pädagogisch gut nutzbaren Ehrgeiz, eine ebenso gute Leistung und ein ebenso positives Lern- und Arbeitsverhalten zu zeigen.  

Einen weiteren Vorteil in der Durchmischung der Schularten sehe ich in der Nutzung der fachspezifischen Expertise für andere Bereiche. In meinem Fall kann ich meine sonderpädagogische Expertise einbringen, sowohl zur Gestaltung von Unterricht (wie Lernen gut gelingt, beispielsweise unter Einbezug von Veranschaulichungen, die allen Schülern beim Lernen helfen) oder auch der Beratung von Kollegen. So können sowohl die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf als auch andere Kinder davon profitieren. 

Nicht zuletzt stehe ich hinter der Sache an sich: Inklusion nicht nur in Bezug auf Schule, sondern gesamtgesellschaftlich gesehen. Durch das Vorleben von Wertschätzung und gegenseitigem Respekt entwickelt sich von Anfang an eine Gemeinschaft ohne Vorurteile, Berührungsängste und Ausgrenzung. Ich bin zutiefst überzeugt von den Vorteilen, Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft teilhaben zu lassen, sowie die Gesellschaft an den Menschen mit Behinderung. Diese Haltung hat sich durch meine Erfahrung in der Gemeinschaftsschule gefestigt – und tut es jeden Tag wieder. 

Elisabeth Karl (Sonderpädagogin) 

Lehrerstimmen Teil II: Hauptschullehrer

Hauptschullehrer an der Gemeinschaftsschule – was finden Sie gut?

Das wurden im letzten Schuljahr einige Kolleginnen und Kollegen an der Blanc-und-Fischer-Schule Sulzfeld im Rahmen eines Projekts von Schülerinnen und Schülern (SuS) der achten Klassen gefragt.

Was würde ein gestandener, ehemaliger Hauptschullehrer an einer heutigen Gemeinschaftsschule schätzen und gut finden? Was also antworten?

 

Klar, es ist interessanter geworden. Die Vielfältigkeit der Kids, die in Jahrgang 5 zu uns kommen. Damit einhergehend auch die Kolleginnen und Kollegen aller Schularten in einem richtig guten Team, woraus sich auch mehr als nur Kollegialität entwickelt.

Doch im Mittelpunkt stehen unsere Schülerinnen und Schüler. Das schon in Jahrgang 5 begonnene Klassenlehrerprinzip ist ein wenig zurückgetreten, das Arbeiten in Teams, drei Lehrer in zwei Klassen in den Fokus gerückt. Dadurch haben die SuS mehr Bezugspersonen, das Kennenlernen und Vertrauen wächst und führt zu mehr gegenseitigem Verständnis. Gerne in die Schule zu gehen ist doch der Grundstein für ein zufriedenes und erfolgreiches Zusammenleben aller in der Familie und der Schulgemeinschaft.

 

Auch sticht positiv ins Auge, dass die Gemeinschaftsschule einen wesentlichen Pfeiler, die Berufsorientierung der früheren Hauptschule übernommen und gar modifiziert hat. Nicht nur die üblichen Betriebspraktika in Klasse 8 sowie das altbekannte Bewerbertraining gehören dazu, auch kommen zahlreiche Besuche von unterschiedlichen Veranstaltungen wie Ausbildungsmessen, Veranstaltungen der IHK oder der Agentur für Arbeit sowie bei unserem Kooperationspartner, den Beruflichen Schulen Bretten hinzu.

Zum anderen gibt es gemeinsame Projekte mit unseren Partnerfirmen. Stellvertretend die Partnerschaft mit der Firma mayer innenarchitektur & möbelmanufaktur zu nennen. SuS haben während eines Projekts die Möglichkeit den Beruf des Schreiners und den Umgang mit dem Werkstoff Holz kennenzulernen.

Ein weiterer Baustein ist die effektive Zusammenarbeit der Klassenlehrer mit den beiden Berufseinstiegsbegleiterinnen der Schule. So wird den SuS beim Suchen nach Lehrstellen oder beim Schreiben der Bewerbungen sowie dem Vorbereiten auf die Vorstellungsgespräche unter die Arme gegriffen. Aber das „Berufe erkunden“ gibt es nicht nur für die Großen; bereits in der Unterstufe kommen die SuS in Kontakt mit dem Thema Berufsorientierung. So ist es beim „Tag der Betriebserkundung“ möglich, verschiedenste Betriebe im näheren Umkreis zu besuchen und kennenzulernen. Grundlegend hierfür ist unser durchgehendes Berufsorientierung in der Gemeinschaftsschule (BoGMS) – Curriculum von Jahrgang 5 bis 10.

 

In der GMS Sulzfeld wird in vielen Bereichen auf den aktuellen Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen Wert gelegt. Auch dies ist dem Hauptschullehrer nicht fremd und lobend zu erwähnen. Beispielgebend ist die Teilnahme am „8er-Rat“ sowie das „Weinbauprojekt“ in Kooperation mit dem Weingut Heitlinger & Burg Ravensburg GmbH.

Beim 8er-Rat lernen die SuS die Aufgaben des Gemeinderats, der Bürgermeisterin sowie das Rathaus kennen. Sie erfahren, wie politische Entscheidungen entstehen und bringen selbst Ideen mit ein, deren Umsetzung sie letztlich selbst erleben können. Begegnungen mit dem Gemeinderat und Bürgermeisterin Pfründer gehören genauso dazu, wie der Besuch einer Gemeinderatssitzung.

Das Weinbauprojekt legt Wert darauf, zu verdeutlichen, wie Menschen seit Jahrhunderten in unserer Weinbauregion im Einklang mit der Natur ein Produkt schaffen, das sich schließlich auch vermarkten lässt. Das Ergebnis der anstrengenden Arbeiten im Weinberg schlägt sich eventuell in einer vollen Klassenkasse nieder.

 

Um die Schüler auf dem langen Weg bis zu ihrem Abschluss optimal zu unterstützen, herrscht im Abschlussjahrgang dann das Klassenlehrerprinzip vor. So ist gewährleistet, dass die Stärken und Schwächen der SuS bekannt sind und der Klassenlehrer an geeigneten Stellen regulierend oder vermittelnd wirken kann. In diesem Zusammenhang besteht für SuS der Abschlussklassen die Möglichkeit sich in der Lern-AG ideal auf die Prüfungen vorzubereiten.

Lehrerstimmen Teil III: Realschullehrer

Lernbegleiterin an einer GMS, meine Erfahrungen

„Was machst du? Du gehst freiwillig an eine Gemeinschaftsschule? Das kann doch gar nicht funktionieren und die ganze Mehrarbeit, du bist doch verrückt!“ So oder ähnlich fielen die Reaktionen meiner Kollegen an einer Realschule in der Region aus, als sie von meiner Versetzung nach Sulzfeld hörten. Fast 13 Jahre war ich Lehrerin an verschiedenen Realschulen, mit Herzblut, jedoch zum Schluss zunehmend unzufrieden. Die Gründe dafür waren vielfältig, aber es lag nicht an den Schülern, auch nicht an den  „verhaltensoriginellen“.

Und nun, nach fast sieben Jahren - habe ich den Schritt bereut? NEIN, ganz und gar nicht! Ich gehe jeden Tag gerne in die Schule und zufrieden wieder nach Hause (das zumindest meistens ;-)). Warum?

Mir gefällt die andere Art mit Schüler zu arbeiten. Ich bin nicht mehr die da vorne, die auf vielfältige Weise Wissen vermittelt, sondern Lernbegleiter und Coach, hetze nicht mehr als Fachlehrerin von Klasse zu Klasse. Auf einer Ebene mit den Kindern, habe ich so die Möglichkeit sie ganzheitlicher wahrzunehmen, ihre Stärken und Schwächen zu sehen und mit ihnen daran zu arbeiten. Vor allem besteht auch der Raum, mal etwas Persönliches zu erfahren und zu besprechen. Ein Kind, das persönliche Probleme hat, kann nicht lernen. Wenn es aber Zuwendung erfährt und sich ernstgenommen fühlt, hilft das.

Wenn ich lese, dass Lehrer an einer GMS sich über die massive Disziplinlosigkeit beklagen, deckt sich das nicht mit meiner Erfahrung. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich habe den Eindruck, dass dadurch, dass sich die Kinder ganzheitlich ernstgenommen und wahrgenommen fühlen, eine ganz andere Basis für eine gelingende Zusammenarbeit entsteht, mit gegenseitiger Achtung und Wertschätzung. Das ist für beide Seiten wichtig, sonst kann Lernen nicht gelingen. Ab und an klappt dann das eigenständige Arbeiten sogar so gut, dass man als Lehrerin, aufgehalten durch Organisationsdinge usw., etwas zu spät ins Klassenzimmer kommt und (fast) alle schon begonnen haben zu arbeiten. Die Kinder haben verstanden, wofür sie lernen, nämlich für sich. Mein Eindruck ist, dass das die meisten Schüler bei uns etwas früher verstehen. Aber natürlich auch nicht alle…

Mehrarbeit? Ja und nein. Lernentwicklungsgespräche, Coaching und die Differenzierung fordern selbstverständlich mehr Zeit und Energie, als ich das von der Realschule gewöhnt war. Doch ist der Austausch mit Kindern und Eltern in der Regel sehr wertvoll. Natürlich ist es etwas aufwändiger differenzierten Unterricht vorzubereiten, aber auch zufriedenstellender, weil man das Gefühl hat, den Kindern eher gerecht zu werden. Und wenn die Teamarbeit gut funktioniert, teilt sich die Arbeit auch auf. Auch das genieße ich, dass man sich gegenseitig unterstützt und ergänzt. Überhaupt herrscht an unserer Schule, so empfinde ich es, ein tolles Klima der Wertschätzung und des Vertrauens. Schüler, Lernbegleiter und Schulleitung als Team, ergänzt durch Schulsozialarbeit, Sekretärin und Hausmeister. Nicht zu vergessen die vielen Schulbegleitungen, die einen wertvollen Beitrag zur Inklusion leisten und eine Bereicherung für alle darstellen.

Inklusion, ein weiteres Neuland, das ich entdecken durfte und nicht mehr missen möchte, so herausfordernd es ab und an sein mag. Wie gut es gelingen kann, dass Kinder mit und ohne Behinderung zusammen lernen können, wenn die personellen und räumlichen Voraussetzungen stimmen, fasziniert mich immer wieder. D.h. allerdings, dass ausreichend Sonderpädagogen da sein und diese bereit sein müssen inklusiv zu arbeiten und natürlich auch die andere Kollegen sich darauf einlassen müssen. Die Zusammenarbeit mit unseren Sonderpädagogen erlebe ich als befruchtend und bereichernd, auch für die Kinder ohne sonderpädagogischen Status. Beide Seiten können voneinander lernen, nicht nur die gegenseitige Rücksichtname.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass bei uns auch nicht immer alles Gold ist, was glänzt, jedoch würde ich den Schritt auf jeden Fall wieder machen. Ich freue mich auf die nächsten Jahre, auch auf die anstehende Weiterentwicklung und Verbesserung unseres Konzeptes. Nach dem abgeschlossenen Umbau eröffnen sich hier sicherlich tolle Möglichkeiten. Vor allem freue ich mich jedoch darauf, als Klassenlehrerin Kinder auf ihrem Weg zu begleiten und gemeinsam mit ihnen stolz auf ihre Lernfortschritte schauen zu können. Möge die Gesellschaft und die Politik verstehen, dass unsere Gesellschaft bunt und vielfältig ist und dies sich auch in der Schullandschaft abbilden sollte. Warum müssen sich Schularten gegenseitig „bekriegen“? Warum kann man nicht anerkennen, dass man sich gegenseitig ergänzen kann? Nicht jedes Kind ist für jede Schulart geeignet. In meinen Augen ist die Gemeinschaftsschule durchaus eine zukunftsfähige Schulart. Schon entdeckt, dass unter den Preisträgern oder nominierten des deutschen Schulpreises immer wieder auch Gemeinschaftsschulen zu finden sind? ;-)

Alexandra Baier